Fasch-Festtage
Fasch-Festtage 2008
Vom 10. bis 20. April 2008 veranstalteten die Stadt Zerbst/Anhalt und die Internationale Fasch-Gesellschaft e. V. die zehnte Auflage der Internationalen Fasch-Festtage. Es waren Jubiläumsfesttage, denn in diesem Jahr jähren sich der 250. Todestag und der 320. Geburtstag des hier 36 Jahre am Zerbster Hof anstelligen Kapellmeisters Johann Friedrich Fasch (1688–1758). Seit nunmehr 25 Jahren wird in der ehemaligen Residenzstadt das musikalische Erbe dieses aus Thüringen stammenden Komponisten gehegt und gepflegt. Die Veranstalter der Fasch-Festtage freuten sich über einen Besucherrekord von mehr als 2200 Gästen aus dem In- und Ausland und das große Interesse der Medien. Einen besonderen Höhepunkt bildete dabei auch der "Tag der Mitteldeutsche Barockmusik" vom 19. bis 20. April 2008 in Zerbst/Anhalt, initiiert von der Ständigen Konferenz Mitteldeutsche Barockmusik, die auch die dreitägige Internationale wissenschaftliche Konferenz vom 10. bis 12. April 2008 und das Eröffnungskonzert großzügig unterstützte. "Musik an der Zerbster Residenz" – so lautete das Thema der Festtage, das sich sowohl in den 13 Veranstaltungen als auch in der Internationalen Wissenschaftlichen Konferenz widerspiegelte. Dazu kam noch eine Sonderausstellung mit dem selbem Thema, die vom 28. März bis 18. Mai 2008 im Museum der Stadt Zerbst/Anhalt, mit beachtenswerten Originaldokumenten und Exponaten den musikalischen Anfängen Entwicklungen am Zerbster Hof vom Beginn des 17. Jahrhunderts bis zum Erlöschen der Anhalt-Zerbster Linie 1793 widmete. Am Eröffnungstag der Fasch-Festtage selbst fand eine Vernissage im Foyer der Stadthalle Zerbst/Anhalt mit bemerkenswerter moderner Malerei statt, zu der der Künstler Klaus Fezer von Barockmusik, besonders von Fasch, inspiriert wurde.
Im Mittelpunkt der Fasch-Festtage stand natürlich der Komponist und sein Schaffen selbst, denn die Zeit seines Wirkens fiel in die Glanzzeit der Zerbster Residenz. Eröffnet wurde der Festakt am 10. April 2008 im Katharina-Saal der Stadthalle Zerbst/Anhalt mit der Uraufführung der eigens für diese Jubiläumsfesttage komponierten Bläserfanfare von Steffen Schleiermacher (Leipzig) über den Namen F-A-S-C-H, aufgeführt vom Bläserkreis der Evangelischen Landeskirche Anhalts unter der Leitung des Komponisten.
In der darauf folgenden Festansprache des Kultusministers und Schirmherrn der 10. Internationalen Fasch-Festtage, Prof. Dr. Jan-Henrik Olbertz, würdigte dieser das große Engagement der Stadt Zerbst/Anhalt, das diese in Zusammenarbeit mit der Internationalen Fasch-Gesellschaft, der Ständigen Konferenz Mitteldeutsche Barockmusik und weiteren Partnern gezeigt hat, um ein so qualitätsreiches Rundumprogramm auf die Beine zu stellen, das einen neuen Anspruch der Fasch-Festtage in der Region Sachsen-Anhalt deutlich mache.
Das anschließende Eröffnungskonzert mit dem Händelfestspielorchester Halle unter Leitung des Soloviolinisten Bernhard Forck und live vom MDR Figaro übertragen, überraschte die Besucher u. a. mit der als verschollen geglaubten Serenata "Beglückter Tag", einer Huldigungsmusik von 1757 von Fasch auf den Geburtstag der ehemaligen Zerbster Prinzessin Sophie Auguste Friederike und späteren Katharina II., Zarin von Russland. Das erst kürzlich wiederentdeckte Werk befindet sich im Archiv der Sing-Akademie zu Berlin und wurde eigens mit besonderer Erlaubnis der Sing-Akademie vom Fasch-Preisträger Brian Clark für diese Festtage aufführungspraktisch eingerichtet. Das mit exzellenten Naturhornbläsern des Händelfestspielorchesters besetzte "Jagdkonzert" J. F. Faschs, ein faszinierendes Zeugnis früher Programmmusik und seit diesen Fasch-Festtagen ein begehrtes Werk überregionaler Orchester, überzeugte nicht nur spieltechnisch. Zwei weitere sehr schöne Erstaufführungen – die Serenata "Die ihr das Glück genießet" von 1759 auf den Geburtstag der Fürstin Caroline Wilhelmine Sophie und eine Sinfonie des Komponisten Johann Wilhelm Hertel, Schüler des Zerbster Konzertmeisters Carl Höckh – rundeten den Eröffnungsabend glanzvoll ab. Nach dem Konzert hatte der Bürgermeister zu einem Empfang im schön geschmückten Ratssaal eingeladen. Der Weg dorthin war wunderbar märchenhaft mit Fackeln erleuchtet. Musikalisch erwartete die Gäste das Mitteldeutsche Salonorchester Halle unter Leitung von Matthias Erben, und gastronomisch wurde man mit allerlei Gaumenfreuden durch das Team des Sporthotels Wallwitz verwöhnt. So konnten Musiker und Gäste sich an den Stehtischen näher kommen.
Das Konzert am 11. April 2008 in der Marienkirche in Dessau-Roßlau mit dem Ensemble Les Amis de Philippe unter der Leitung des Cembalisten Ludger Rémy wartete gleich mit sechs Erstaufführungen des Zerbster Hofkapellmeisters auf (nach den überlieferten Quellen aus der Sächsischen Landes–, Staats– und Universitätsbibliothek Dresden von Prof. Manfred Fechner aufführungspraktisch aufbereitet). Die Musiker spielten auf historischen Instrumenten mit spürbarer Spielfreude und wunderbar abgestimmten Tempi, mit viel Virtuosität, Natürlichkeit und Herzenswärme diesen Fasch fast überirdisch schön. Dieses Konzert ist soeben auf CD erschienen.
Mit dem Konzert im Schloss Wendgräben am 12. April 2008 erfüllte sich mancher geheime Wunsch der Fasch-Fans, den italienischen Fagottisten Sergio Azzolini noch einmal live wie in den Konzerten von 2003 zu erleben. Im Trio mit dem Lautenisten Joachim Held und der Flötistin Myriam Eichberger und einem Programm mit Sonaten mitteldeutscher Barockmusiker überzeugten alle drei mit viel Gefühl, Eleganz, Virtuosität und Ausdruckskraft. Doch Höhepunkt war unzweifelhaft das furiose Spiel Sergio Azzolinis, der alle Facetten seines Fagotts mit ganzem Körpereinsatz und unvergesslicher Mimik und Gestik präsentierte. Besonders die kleinen Sprünge amüsierten das Publikum.
Ein Highlight innerhalb der Fasch-Festtage war am 12. April 2008 um 21.00 Uhr wiederum die Fasch-Midnight, Baroque meets Pop, in der liebevoll ausgestatteten und gastronomisch wohl durchdachten Schlossruine, mit dem Vokalquartett Maybebop. Zu hören war alles vom Volkslied, über Ohrwürmer der Popmusik bis zu Techno-Klängen, alles mit selbst gedichteten Texten, begleitet von choreographischen Akzenten, einfach exzellent dargeboten. Vor allem die Reinheit der vier Gesangsstimmen überzeugte und begeisterte das Publikum. Zu Beginn spielte das Mitteldeutsche Salonorchester Halle, das nach dem Konzert in den Weinstuben des Schlosses den Abend angenehm abrundete.
Der Fasch-Preis der Stadt Zerbst/Anhalt, überreicht vom Bürgermeister Helmut Behrendt, ging diesmal wieder an einen Musiker und überzeugenden Botschafter dieser Musik, den israelischen Cembalisten Shalev Ad-El, für seine hervorragenden Interpretationen und sein großes Engagement für die Wiederaufführung bisher unbekannter Werke von Fasch. Im Festkonzert im Fasch-Saal stellte Shalev Ad-El sein Können unter Beweis, und zusammen mit dem belgischen Ensemble Il Gardellino erklangen, brillant gespielt und interpretiert, meist noch unbekannte Concerti von Fasch. Diese Werke werden demnächst auf CD erscheinen.
Mit einem Gedenkkonzert in der vollbesetzten St. Trinitatiskirche gedachte die Stadt Zerbst/Anhalt am 16. April 2008 des 63. Jahrestages der Zerstörung von Zerbst. Dazu eingeladen worden waren das ungarische Capella Savaria Baroque Orchestra und der Chor der Schola Cantorum Budapestiensis unter der Leitung von Mary Térey-Smith (USA), die sehr dezent und einfühlsam Faschs einzige erhaltene Passion "Mich vom Stricke meiner Sünden" (nach dem Text von H. B. Brockes) aufführten.
Mit virtuoser Kammermusik und verschiedenen Chalumeaux (schalmeiähnliches Instrument) überzeugten die Musiker der Chursächsischen Capelle Leipzig um die Geigerin Anne Schumann am 18. April 2008 in der Aula des Francisceums der Stadt Zerbst/Anhalt mit Virtuosität. Neben Kompositionen von Fasch, u. a. dem berühmten Chalumeau-Konzert, gab es Erstaufführungen von Carl Höckh und Johann Georg Röllig, Faschs Nachfolger im Amte des Hofkapellmeisters.
Zum 13. Mal fand der Tag der Mitteldeutschen Barockmusik statt, diesmal in der ehemaligen Residenzstadt Zerbst vom 19. bis 20. April 2008, ausgerichtet von der Ständigen Konferenz Mitteldeutsche Barockmusik in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen e.V. "Mit Pauken und Trompeten" zu Ehren Johann Friedrich Faschs erklangen vom Schweizer kammerorchesterbasel neben Erstaufführungen Faschs auch dessen legendäres Trompetenkonzert, br avourös und virtuos interpretiert von dem jungen Trompeter Giuliano Sommerhalder. Aber auch die Soloviolinistin und Leiterin des Ensembles Julia Schröder brillierte im Konzert für Solovioline von Fasch ungemein gestenintensiv und traumhaft virtuos.
Unter der bewährten Leitung von Kreiskirchenmusikwart Tobias Eger gehört der Festgottesdienst zu Ehren Faschs mit der Zerbster Kantorei und dem Johann Friedrich Fasch-Ensemble Halle, vom MDR live übertragen, seit Jahren zum festen Bestandteil der Fasch-Festtage und brachte auch diesmal zwei Erstaufführungen des Zerbster Meisters. Nach über 270 Jahren erklang die Kantate "Gelobet sey der Herr täglich" und zwei Sätze einer Ouverturensuite, eingerichtet von Studierenden des Instituts für Musikwissenschaft der Universität Leipzig unter Anleitung von Uta Wald.
Einen musikalischen Höhepunkt und gelungenen Abschluss der 10. Internationalen Fasch-Festtage 2008 bildete natürlich das Konzert mit dem Thomanerchor Leipzig unter der Leitung des Thomaskantors Prof. Georg Christoph Biller, begleitet vom Johann Friedrich Fasch-Ensemble Halle und vom MDR Figaro zeitversetzt gesendet. Bereits im Vorfeld der Festtage war das Konzert restlos ausverkauft. Der weltberühmte Chor begeisterte mit seinem Gesang und der Interpretation u. a. zwei Erstaufführungen von Psalmvertonungen des Zerbster Hofkapellmeisters Fasch, vor allem dem "Laudate pueri Dominum".
Doch all die schönen musikalischen Erlebnisse dieser Fasch-Festtage wären ohne die entsprechenden wissenschaftlichen Vorleistungen nicht denkbar gewesen. Deshalb fand wiederum als wichtiger Bestandteil der Internationalen Fasch-Festtage in der bewährten Atmosphäre des Hotels "von Rephuns Garten" vom 10. bis 12. April 2008 eine Internationale Wissenschaftliche Konferenz statt, von der Stadt Zerbst wieder bestens technisch vorbereitet. 19 Referenten aus den USA, Kanada, Großbritannien und Deutschland trafen sich, um zum Thema "Musik an der Zerbster Residenz" zu referieren. Da das Wirken J. F. Faschs als Kapellmeister an der Zerbster Residenz in den Jahren 1722 bis 1758 weitestgehend mit einer Blütezeit des Anhalt-Zerbster Fürstenhauses zusammenfällt, war es faszinierend, Einblicke in die musikalischen Entwicklungen, die dieser Blütezeit vorausgingen, zu bekommen, Musikerpersönlichkeiten und ihr Schaffen vor Faschs Amtsantritt, aber auch seine Nachfolger als Persönlichkeiten kennen zu lernen. Da wurde über die Musikpflege der Anhaltiner Fürsten im Allgemeinen, neuentdeckte Tabulaturbücher als Quellen zur Zerbster Musikpflege um 1670 von dem Hofmusiker und Organisten Bernhard Meyer und die Kantorei und die Kurrende in Zerbst Auskunft gegeben. Eine eindrucksvolle Bildshow zur Innenausstattung der Zerbster Residenz war zu bewundern, man erfuhr Neues über die Musikpflege an den Residenzen in Kassel, Oettingen, Ansbach und Bayreuth zur Zeit von Fasch, auch über das Leben und Schaffen der Musiker Johann Ulich, Carl Höckh und Johann Georg Röllig, aber auch über die Hofmusik der Nachbarresidenz Köthen, über unbekannte Primärquellen zum Musikleben am Anhalt-Zerbster Hof im 18. Jahrhundert, über die Serenaten für den Anhalt-Zerbster Hof in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, zur Beziehung zwischen Fasch und Zelenka oder dem wieder aufgefundenen Kantatenjahrgang "Das in Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung Bestehende Opffer". Interessant waren aber auch die Vorträge über die Fürstin Caroline Wilhelmine Sophie oder die musikalischen Beziehungen zwischen Zerbst und der Nord- und Ostseeküstenregion anhand der vertretenen Komponisten in dem 1743 aufgestellten Inventarverzeichnis der "Concert-Stube".
Auch die Neuentdeckung einer Trio-Sonate Faschs aus dem wieder aufgefundenen Archiv der Sing-Akademie zu Berlin, die zudem noch als Hörbeispiel vorgestellt wurde, bereicherte diese sehr gelungene Konferenz.
Die musikalische Einleitung am ersten Konferenztag, wurde – wie schon in den Vorjahren – von Studierenden der Fachrichtung Alte Musik an der Musikhochschule "Felix Mendelssohn Bartholdy" Leipzig übernommen.
Die Zusammenarbeit mit den Studenten hat sich auch in diesem Jahr bestens bewährt, und das Ergebnis war hörenswert. Es erklangen Werke aus der Zerbster "Concert-Stube" von Johann Cristoph Pepusch, Johann Baptist Kuch und natürlich Johann Friedrich Fasch. Aus Sicht der IFG waren die 10. Internationalen Fasch-Festtage 2008 ein Glanzpunkt der Pflege des musikalischen Erbes des Hofkapellmeisters J. F. Fasch und wiederum ein Beweis, dass sich die intensive Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen der Stadt Zerbst/Anhalt und der unermüdliche Kampf um ihre Fortführung im Vorfeld doch gelohnt hat.
Ein großer Dank sei an dieser Stelle deshalb auch den vielen Sponsoren gesagt, die dazu beitrugen, dass dieses Fest stattfinden konnte. Aber auch die ganz individuelle Betreuung der Ensembles, der Wissenschaftler und auswärtigen wie einheimischen Gäste durch die Mitglieder der IFG sowie die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Stadt Zerbst versteht sich mittlerweile als Markenzeichen.
Damit heben sich die Fasch-Festtage, wie die Besucher immer wieder bestätigen, positiv von manch anderem Festival ab.
Nicht nur auswärtige Besucher aus Deutschland, sondern auch aus den USA, Schweden, Dänemark, Ungarn und Großbritannien lobten die persönliche Zuwendung. Es trug sehr zur überregionalen medialen Ausstrahlung der Festtage bei, dass auch in diesem Jahr der MDR für eine Live-Übertragung des Eröffnungskonzerts und des Festgottesdienstes sowie der zeitversetzten Sendung des schönen Abschlusskonzertes mit dem Leipziger Thomanerchor gewonnen werden konnte .
Die auch in diesem Jahr wieder von Frau Steffi Heger (Atelier Tangram) professionell gestalteten beiden Flyer, verschiedene Plakate und die Programmschrift präsentierten wiederholt das optische Erscheinungsbild der Festtage und machten neugierig auf den Inhalt. An dieser Stelle sei auch der Zerbster Volksstimme, Frau Antje Rohm und ihrem Mann Helmut Rohm, sowie Herrn Gerhard Block vom Generalanzeiger großer Dank ausgesprochen für ihre professionelle Unterstützung im Vorfeld sowie in der Berichterstattung.